Trio dynamisch ins neue Jahr
Ich wollte zu Silvester endlich einmal diesen komischen Riesenprivatfeten entrinnen, bei denen alle gut drauf sein wollen, sich um Mitternacht gegenseitig um die Hälse und später vollbreit in die Horizontale fallen. Da kam mir ein Auftritt von TRIO während meines Heimaturlaubs in Bremerhaven gerade zupaß. Den in Großenkneten (Nähe Oldenburg) ansässigen Herren ist ja in jüngster Zeit kaum zu entrinnen: ob im Radio, im Fernsehen oder in Blättern wie diesem hier —überall kann ein tödliches Trio lauern. Der Push scheint allgegenwärtig, an Unterstützung seitens der Plattenfirma hat es in keinster Weise gemangelt. Klappt wohl auch alles, wie es soll: schon 16.000 verkaufte Alben und meist positive Resonanzen während der nunmehr beendeten ersten Tournee. Als besonderen Promo-Gag hatte sich Phonogram ausgedacht, zusätzlich tagsüber in oder vor Plattenläden Gigs zu machen. Obendrein hat auch noch Klaus Voormann ihre erste LP produziert. Hat Mr. Hype drei weitere Opfer gefunden? Ich schreib dieses hier ja auch nicht nur in meinem Interesse.
Mit dieser üblen Vorahnung, vermischt mit meiner überwiegenden Begeisterung angesichts/angehörts der Platte (nachzulesen in der letzten Nummer; inzwischen hab' ich sie lieber), spazierte ich nach dem obligatem „Dinner For One“ (same procedure as every year) in den Schuppen 14, diesmal „Trio's Bahnhof", sonst palettenreiche Lagerhalle Nähe Hafengebiet. Selbst für einen Eingeborenen nicht ganz einfach zu finden, aber ein grüner Herr im Zollkabäuschen konnte mir helfen, ein neues Erlebnis. Dann kam alles ganz anders, als ich mir das mit dem Guten Rutsch gedacht hatte. Zum einen begann der Auftritt eine Stunde später, womit ich die Rocknacht im Bett vergessen konnte. Außerdem war einheimischer Kollege, den ich als Photographen angeheuert hatte, urplötzlich dazu verdammt, seine kranke Frau zu pflegen. Und schließlich traf ich unvermeidlicherweise etliche Freunde und Bekannt, die einen mehr oder weniger, auf diese oder jene Art in Anspruch nahmen („Wann interviewst du denn die Rolling Stones?“, „Machst du immer noch keine Mark?“, „Wo ist denn hier 'n ruhiger Platz?“). Zwölf bis zwanzig kleine Ottis hätten alles Anstehende wohl erledigen können, ich aber nicht.
Den Triologen ging's ähnlich, bedeutete Bremerhaven — auch „Fishtown" genannt — doch für Sänger Stefan Remm-ler und Gitarristen „Kralle" Krawinkel ein echtes Heimspiel. War ja schließlich auch Silvester. Immerhin reichte es noch in diesem leichten Tohuwabohu zu einem Gespräch mit dem saukurzgeschorenen Kehlkopf-mikrophonisten Stefan. Zuerst gab's dezenten Weihrauch für meine informierte SPEX-Rezension (trotz der gemeinen Satzfehler). „Du kommst auch von hier? Wir wunderten uns schon, wo der das alles her hatte. Von Just us und Cravinkel weiß auch die Plattenfirma nichts. Denn wir haben das bewußt vermieden, weil wir besonders hier in der Gegend nicht auf der Nostalgiekiste reiten, wir wollen als Trio vorbehaltlos akzeptiert swerden.“ Eine der vielen Originalitäten ist die Dreierbesetzung ohne Baß. „Das ergab sich einfach so. Wir hatten damals ein paar Bassisten angetestet. Da waren schon gute Leute dabei, so ein Funk-Neger und auch einer von Interview. Irgendwie waren wir aber nie so recht zufrieden, bis wir merkten, daß wir für unser Ding doch eigentlich gar keinen mehr brauchten. Es muß auch so gehen, und wie wir alle sehen, geht das ganz gut!“
Für eine „neue“ deutsche Band sehr auffällkig ist das Gemisch aus deutschen und englischen (besser: amerikanischen) Texten. Dazu auch noch manchmal der verschärfte Einsatz des klassischen Akzents, „trarabbl coming“ oder „but wish it was rrriel“. Was soll's? „Wie du weißt, machen wir ja schon weitaus länger Musik als das eine Jahr, seit dem Trio existiert. Und da wurde alles in Englisch gesungen, weswegen mir einige Zeilen zuerst in dieser Sprache einfallen. Vieles klingt eben immer noch besser so. Bremerhaven ist außerdem ziemlich amerikanisiert. AFN und Gls. Vor allem nehmen wir das Ganze nun gar nicht so ernst, wie manche meinen oder gern hätten, und machen in vieler Hinsichtganz was anderes, als zu erwarten wäre, nicht nur sprachlich.“ Recht so, doch bei kleinem muß ich zu meiner bösen Ahnung kommen. Wie habt ihr es überhaupt zu solch dicker Firmenpromotion gebracht? „Kam fast alles von selbst, die Überraschung war ganz unsererseits. Zur Phonogram kamen wir durch unsere allererste Platte, eine selbstproduzierte und vertriebene 25 cm-Scheibe mit drei Stücken. (Vergriffen, d.V.) Eine davon landete ohne unser Zutun bei einem Herrn dieser Firma, der drauf stand und auch an unser Potentioal glaubte. Mit dem Vertrag sind wir zufrieden: drei Jahre Laufzeit, eine fünfstellige Garantiesumme (wieviel genau, sagte er nicht) und vor allem redet uns niemand rein, wenn wir das nicht wollen. Die Plattenläden-Tour war auch in unserem Interesse, trotz des Schlauches, nachts müde umfallen, anstatt noch der gute Liebhaber zu sein. Sehr direkte Auftritte, nach einer halben Stunde Aufbau standen wir hautnah mit dem Publikum, dann aber dafür.“ Werdet ihr bei diesem schnellen Erfolg nicht skeptisch, verheizt zu werden? Schließlich war da ja diese clevere Anzeigenkampagne vorgeschaltet, und keiner, micht eingeschlossen, hat die LP bloß so in's Haus bekommen. „Nee, wir kommen überall an, und das freut. Einge kamen von selbst, weil sie uns live gesehen hatten. So auch Klaus Voormann, der sich uns als Produzent angeboten hat. Anderen gefiel die LP, und da unsere Nummer das Cover zierte, riefen sie prompt bei uns an. Auf die Tour landeten wir z.B. im ZDF, bei „Aspekte“. Nicht nur die Medien reagieren positiv. Heute sind drei Berliner extra nach Bremerhaven gekommen, um uns nochmal zu sehen. Auch im Süden fanden sie uns fast alle gut, bis auf einen straighteren Herren, der meinte, wir würden ihn aggressivieren und sich dementsprechend benahm. Irgendwie kam das alles von selbst, da steckt kein absoluter Push dahinter.“ Das darf ich doch schon gar noch mehr glauben. Oder doch?! „Wart ab, bis du unser Konzert gesehen hast…“ Hatt' ich sowieso vor.
Und ich muß sagen und schreiben, danach sah ich klarer, jedenfalls, was die Live-Qualitäf dieses Minimum-Terzetts anlangt. Winzige Anlage und eine sparsame, doch wirkungsvolle Dekoration, Sonnenschirm über Peter Behrens Schlagzeug, vorn rechts Carmen, die abgefischte Aufblasbare, die nur drei Nächte hielt (Stefan Rammler?). Luzie war auch da, die rote Plastikgitarre, der allabendlich ein fulminates Solo entlockt wird. Schon das erste Liedchen offenbarte, wo es bei den dreien lang geht. Da stand „Kralle“ an den Drums, Stefan klampfte, und der zirkuserfahrene Peter gab den Sänger. Verdrehtes Line-up, Er-wartungsfopp Nr. 1. Bald darauf, in richter Besetzung, folgte bereits der ausdrückliche „Höhepunkt“ des Ganzen, Erwartungsfopp Nr. 2. Der größte aller Fopper war ohne jeden Zweifel Ex-Clown Behrens alias Karl Knack. Täter und Opfer bester Zwerchfellattacken, verzog der kleine Runde mit dem sturen Blick nicht einen Mundwinkel. Die deutsche Szene hat ihren Buster Keaton.
Was Trio auch taten, die Überraschung folgte stets auf dem Fuße, auch wenn Remmlers bitterwitzige Conferencen über die „zwischenmenschlichen Vergletscherungen“ zu großen Teilen einstudiert waren. Das macht sie nicht weniger treffend. „Unsere Witze sind ja nicht nur zum Lachen.“ Stimmt, ein ausgiebiges „geiles Zitat aus dem Uhse-Katalog zeigt eine traurige Realität, besonders, wenn später ein dort erworbener Gummipimmel als Perkussion herhalten muß. Das Synchron-Playback Reagan-Attentat/Fußballspiel bei „Los Paul“ stellt ja auch nicht nur einen kühnen Gag dar, eher schon eine traurige Binsenweisheit. Musikalisch war der Spaß weniger eingeschränkt, das Gegenteil des geringen Aufwandes. Rezept: aus wenig sehr viel. Die instrumentale Grundausstattung wurde allein durch den Casio zu rund 150,- (mit Rhythmusmaschine) und besagte Luzie erweitert. Alle Perlen des Albums wurden gereicht, auch die demnächst erscheinende Single „DaDaDa, ich lieb dich nicht, du liebst mich nicht, aha aha aha“. Neben „YaYa“ belegte „Talahas-see Lassie“ eindeutig die Rhythm&Blues-Wurzeln. Um noch einen Gimmick zu verraten; wenn Micky Matschkopf Herrn Krawinkels Blinde-Kuh-Solo hören würede, müßte er vorerst auf die Ukeleie umsteigen. Selbst eine Strophe „Ich steh auf Berlin“ als Gruß an die drei Berliner Fans konnte mich nicht verärgern. Sogar diejenigen, die auf die später spielenden „Aktion Saubere Autobahn-Toiletten“ warteten, ließen sich ab und an zu einem Pogochen hinreißen.
Somit erlebte ich doch noch einen guten Ausklang eines überwiegend beschissenen Jahres, trotz eines neunschwänzigen Katers am Neujahrstag (beim Betrachten des Skispringens im Fernsehen drehte sich mir schon der Magen um — ja, Clara, der Sekt!) „Lassen sie sich nicht täuschen, denn letztendlich geht es darum, daß sie ihr Geld und ihre Sympathie dem TRIO geben!“,heißt es eingangs ihrer LP. Geld gibt es nun bei mir nicht zu holen, doch meiner Sympathie können sie vorerst sicher sein.
Ralph Otto SPEX Nr. 1/82, S. 16