Stephan Remmler im Atlantis
von Dominik Heitz
Wohl nicht umsonst stand auf dem Gilet des einen Mitarbeiters "Chaos" geschrieben, denn das am Montag im Atlantis auf 21 Uhr programmierte Konzert von Stephan Remmler wollte und wollte nicht beginnen. Und niemand hielt es für angebracht, dem unruhig gewordenen Publikum eine entsprechende Erklärung abzugeben.
Remmlers Promotion-Tour (zweiter Teil) für seine neue Platte VAMOS erlitt an seinem Wohnort dennoch keinen peinlichen Einbruch, sondern kam nach einer guten halben Stunde Verspätung gleich von Beginn weg auf volle Touren - mit dem "Rotkäppchen komm" war im Nu aller Publikumsärger wie weggefegt und die nachgeschobene Entschuldigung bereits für überflüssig befunden worden.
Ist das ein Wunder? Nein. Stephan Remmler, das ehemalige Trio-Mitglied, hat seine unbestrittene, höchst gemischte Fan-Gemeinde, obwohl doch seine diversen Gassenhauer eigentlich eher auf ein begrenztes Publikum schließen lassen könnten. Doch von den einst die ZDF-Hitparade untergrabenden, provozierend skurril-komischen TRIO-Texten ("Da da da", "Lass mich rein Lass mich raus", "Turaluraluralu") spannte er fließend den Bogen zu Kuschelliedern wie "Unter einer kleinen Decke in der Nacht" oder zu Fredy-Quinn-Schnulzen. Dabei beherrscht er die Gratwanderung zwischen schmachtendem Kitsch, herzlicher Schunkelei und trockenem Humor.
Solch Remmlerschem Musikgefühl frönen durfte man auch im Atlantis. Zu heftigem Drumbeat ließ es sich neue Songs wie "Bist du wieder mal blank, wechsle einfach die Bank" genießen, war es erlaubt, beim "Du, ich wär so gern bei dir" wunschkonzertmäßig den Namen seiner Freundin einzubringen, und galt es für alle, beim "Bum Bum" heftig mitzuklatschen.
Remmler und seine Begleitband "Die Steher" hatten das Publikum fest im Griff, ließen es schmachten beim "Vogel der Nacht" und mitheulen beim "O Bananaboat". Gefühlsausbrüche waren erlaubt - und dass Remmler mal ab Blatt singen musste, störte niemanden.
Kein Wunder wurde schließlich eine Zugabe nach der anderen verlangt. Kein Wunder hämmerte es da "Keine Sterne in Athen stattdessen Schnaps in Sankt Kathrein". Kein Wunder sah man Remmler von seinem Liebesabenteuer "Oben aufm Berg" schwärmen.
Doch um halb zwölf verhallte mit "Einer ist immer der Loser" endgültig die letzte Zugabe im gerammelt vollen Atlantis. Stephan Remmler stand als abtretender Sieger da und hatte es geschafft, das Publikum davon zu überzeugen: Stephan Remmler - "dass dieses Wunder wahr war".
Quelle: Basler Zeitung 1.12.1993