Stephan Remmler - der norddeutsche Trioler
Er ist ein Sohn unserer Stadt, auch wenn er hier nicht auf die Welt kam, wie er sagt, aber er hat hier seine Jugend verbracht, an der Weser liegen seine musikalischen Wurzeln mit „Macbeats“ und „Just Us“. Und wenn man aus Bremerhaven kommt, nach Großenkneten über Hamburg fährt, dort ein paar Jahre in der Großen Elbstraße wohnt, so einen dezenten Umweg macht, dann wird sich der Mehrweg schon gelohnt haben.
Von Stephan weiß man, dass er keine Umwege nimmt, dass er nichts tut, was nichts bringt. Hamburg ist eine Zwischenstation für eine WG, in der zur selben Zeit auch Kralle Krawinkel das Kochen lernt, einen Strohhalm aus dem Heuhaufen „Cravinkel“ zwischen den Lippen kaut, bevor der „Wind“ dann Beide, ca. 100 km südlich von Bremerhaven, zur großen Knete weht. Einen Fußmarsch weiter wartet der gelernte Clown Peter Behrens darauf, dass man ihn anruft, um das Trio zu komplettieren. Das alles zu Beginn der 80er.
Kralle, in der „Nix los -Stadt“ Wilhelmshaven geboren, in der Beat-Hochburg Cuxhaven aufgewachsen, spielt seine Gitarre nun unter Spaniens Tantiemen-Sonne im eigenen Studio in der Nähe von Sevilla. Behrens clownt seit der Auflösung 1986 mehr oder weniger erfolgreich im wechselhaften Wetter Deutschlands, nur Remmler macht und macht und macht.
Grund genug, ein freundschaftliches Interview mit dem Mann zu führen, der es als einziger Musiker der Seestadt schaffte, weltweit in die Charts zu kommen und sich noch immer nicht auf wohl verdienten Lorbeeren ausruht, sein „Ich, Ich, Ich“ - einer muss (ja) der Beste sein – weiter unter die Leute bringt, 2006 den Bundesmusikpreis einheimst und mit Nena singt, dass er "nix dafür kann“. Im April 2007 geht der Film „Der Vollidiot“ (mit Oliver Pocher) auf bundesdeutsche Leinwände, für den Stephan mit seinem Sohn Cecil die Filmmusik schreibt und produziert.
GBM (DK) im Gespräch mit Stephan Remmler
DK:Der Name „Just Us“ ist hier in der Gegend immer noch ein fester Begriff. Viele Fans der Band verfolgen deinen musikalischen Werdegang.
Hattest du damals schon im Kopf, Musik irgendwann professionell zu machen?
Stephan, der Denker, Ende der 60erSR: Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, was ich zu der damaligen jugendlichen Zeit gedacht habe, gehe aber mal davon aus, dass ich schon davon geträumt habe, ein erfolgreicher Musiker zu werden.
DK: Ich erinnere mich, dass du Ende der 60er maßgeblich der Motor für das Umarrangieren nachgespielter Versionen von Hits warst. Was hat dich dazu veranlasst?
SR: In den Zeiten damals, als Just Us und die anderen Bremerhavener Bands, wie überhaupt die bundesweit aufkommenden Beat Formationen, noch keine eigenen Stücke spielten, identifizierten sie sich dadurch, wen sie nachspielten. Wir, als Just Us, interpretierten die Stones. Andere waren bei Hollies, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich, oder wie auch immer, und erst später, als die Bands reifer wurden, wagten sie sich an eigenes Material. Udo Lindenberg war da ja ein Vorreiter. Dass ich arrangiert, die Songs verändert habe, war wohl der Versuch, schon beim Covern etwas Eigenes zu machen.
DK: Die Trio-Zeit ist vorbei, was mit Sicherheit viele Fans weltweit mit hängenden Ohren hinterlässt. Oft ist der Grund, erwiesenermaßen, dass Frontmann und Band verschiedene musikalische Interessen verfolgen. Was war es bei euch?
Stephan der Sänger (mit Kralle,links)SR: Wir haben uns als „Trio“ nie so professionell Gedanken gemacht, wie, beispielsweise, das ist unser Sound, das ist unsere Lücke, das ist das, was die Leute von uns hören wollen oder hier müssen wir weitermachen. Wir haben uns eher immer weiter entwickelt und sind Wege gegangen, die uns gerade spannend und aufregend erschienen. Möglicherweise sind wir so vom Trio-Sound weggekommen, den die Leute im Grunde von uns hören wollten. Für uns war es eine musikalische Weiterentwicklung. Ich denke da an das dritte Album, das mit dem Film zu tun hatte. Wir waren dann nicht mehr so einzigartig, klangen wohl mehr wie Andere auch.
Das mag ein Grund gewesen sein. Ein anderer ist jedenfalls, dass Trio doch sehr das Leben in die Musik 1:1 umgesetzt hat. So, wie wir in Großenkneten zusammen gelebt haben.
Alles, was da passierte, floss in die Musik ein.
Als wir dann nicht mehr zusammen wohnten, war wohl auch diese gewisse Intensität weg, glaube ich, wobei ich natürlich auch denke, dass sechs Jahre für erwachsene Männer eine lange Zeit waren, auf engstem Raum zusammen zu leben. Also, ein normaler Weg, dass es zu Ende gegangen ist.
DK: Nach Trio kam deine erfolgreiche Zeit mit deutschen Titeln im Alleingang, immer noch minimal gehalten vom Playback. Weshalb der Versuch, mit der Creme der deutschen Musikerelite das bei „Vamos“ zu ändern?
SR: Ich kann dir da nicht ganz folgen, in deiner Frage, George. Die Zeit nach Trio mit deutschen Titeln, Stephan Remmler im Solo, auch da waren schon ausgezeichnete Musiker dabei, die Crème, wie du es nennst. Das war ja auch schon bei der „Freddy Quinn“ Platte, und nicht erst mit „Vamos“ der Fall, und so minimal war das auch nicht. Ich habe mich nach Trio mit der deutschen Unterhaltungsmusik beschäftigt. Ich kam ja ursprünglich aus dem Rock n Roll, und dann in der Entwicklung zum Rock, Blues, Beat und Punk. Das Andere hatte ich gehört, bin aber nebenbei damit aufgewachsen. Damit zu arbeiten war Neuland, und das interessierte mich. Da dienten dann eben Couplets, Wiener Melodien oder diese UFA-Tonfilmmusiken als Vorlagen für meine Ideen.
Mit meiner Freddy Platte, um darauf zurückzukommen, erreichte ich dann aber auch wohl das Ende des Eingroovens in die deutsche Unterhaltungswurzel.
Noch etwas zu der Besetzung: auch da hatte ich ja schon die guten Musiker, dich am Schlagzeug, Manni Müller und Uli John im Chor, alle aus Bremerhaven.
Mit „Vamos“ kam dann eine Rockplatte, und das war der Unterschied.
DK: Du hast zwischenzeitlich immer wieder, mehr oder weniger erfolgreich, veröffentlicht. Für diese Produktionen hast du wiederum deutsche Rockmusiker aus der Top Ten – Liste engagiert, gemixt mit internationalen Namen, die teilweise eingeflogen werden mussten. Dabei hast du trotzdem versucht, deinem Stil treu zu bleiben. Kann man sagen, dass du am Zeitgeist vorbeiproduziert hast, oder wie erklärst du dir den schwindenden Erfolg in den 90er Jahren?
Das "Projekt F"SR: Abgesehen von der Freddy Platte, bei der es mir darum ging, mal „große Gefühle“ zu behandeln, der „einsame Cowboy im Sonnenuntergang“, habe ich eigentlich immer das gleiche gemacht. Das sind kleine Alltagsszenen, die ich sehe und beschreibe, mal humorvoll, mal weniger. Musikalisch habe ich dann verschiedene Wege beschritten, die mir gerade interessant erschienen. Ob ich dann letztlich Erfolg habe oder nicht, hängt ja sehr davon ab, ob der Zeitgeist mich umarmt. Ich habe das nie so angestrebt, dass ich irgendwelche Stile direkt für den Zeitgeist produziert habe.
DK: Du hast dann deine drei Söhne mit „Everybody Cha Cha“ in ´s Spiel gebracht. Wie konkret hast du sie darüber informiert, dass Profimusik kein Zuckerschlecken ist, dass mangelnder Erfolg nicht nur dazugehört, dass er auch ein Leben verändern kann, wie Erfolg im Übrigen ja auch?
SR: Die Geschichte mit Cecil, Lauro und Jonni hat sich bei uns zuhause sehr organisch entwickelt. Die Kinder haben sehr viel mit Musik zu tun, bekamen eine musikalische Ausbildung und ihren eigenen Computer. Eines Tages erschienen sie eben mit ihren Kompositionen, die alle drei zusammen sonntagnachmittags irgendwann gemacht hatten. Ich fand das sehr witzig und originell und hatte Spaß daran, das weiter zu entwickeln und mit den Kindern gemeinsam was zu machen. Beide Elternteile haben teilgenommen, und ich hab mit meiner Erfahrung im Musikbusiness schon aufgepasst, was getan und was besser nicht getan werden sollte.
Der Sommer 2003 mit ihrem Hit war eine sehr tolle Zeit für die Kinder, ein Abenteuer mit immer neuen Herausforderungen, die sie auch immer wieder genommen haben, will sagen, sie haben sich sehr gut in dem Feld behauptet.
Als das Album dann gar nicht zur Veröffentlichung gelang, es war ja nicht nur eine Single, weil Warner Brothers verkauft wurde und der neue Besitzer weltweit 60% aller Künstler und Angestellten entließ, um mit einem schlanken Betrieb wieder in die schwarzen Zahlen zu kommen, da war das gar nicht so traurig mit dem großen schwarzen Loch. Die Drei begriffen recht schnell, dass es danach nicht mehr um ein Abenteuer, eher um Routine gegangen wäre.
Wer weiß, wofür es gut war. So wie es gekommen ist, war es für alle ok.
DK: Was viele deiner Fans beeindruckt, du hast nie aufgehört zu schaffen. Du warst immer da, wenngleich auch nicht permanent in der Öffentlichkeit. Man sagt, wer viel macht, macht auch viele Fehler. Gibt es im Nachhinein etwas, das du in deinem musikalischen Werdegang ändern würdest, hättest du die Gelegenheit dazu?
v.l.n.r.: Stephan, Delf, Kralle, Günter, George B., Micky - 1968Ich würde rückblickend gar nix ändern. Ich habe das große Glück, dass ich einen Beruf habe, der mir sehr viel Spaß macht, dass ich meine Stunden mit etwas verbringe, was mir sehr viel Freude macht und mich interessiert, und dass ich dafür auch noch Geld kriege.
DK: Für deine neue CD „1,2,3,4…“ rührst du persönlich kräftig die Werbetrommel, ganz anders als die meisten Kollegen. Du bist viel unterwegs, ähnlich dem System, wie es damals mit „Trio“ passierte, als ihr jede Steckdose der Republik gespielt habt. Gibt es da Zusammenhänge im Konzept?
SR: Wenn man eine Platte draußen hat, dann muss man Öffentlichkeit herstellen, den Leuten sagen, hallo, hallo, hier bin ich, es gibt eine neue Stephan Remmler Scheibe. Das ist ein Teil der Arbeit, das ist ganz normal.
DK: Deine Hits „Keine Sterne in Athen“, „Einer ist immer der Loser“, „Vogel der Nacht“ hatten im Vergleich zu „1, 2, 3, 4“ ja fast einen romantischen Touch.
Was ist passiert?
SR: Das habe ich ja in etwa vorhin schon gesagt. Die Wurzeln der deutschen Unterhaltungsmusik hatten mich damals inspiriert.
Das neue Album ist minimalistisch, ähnlich dem Stil, der auch bei Trio zugrunde lag.
Der Unterschied ist, dass andere Zutaten da sind.
Auch hier versuche ich bei einem Stück mit wenigen musikalischen Linien eine Spannung zu erzeugen, ohne mitten im Lied große oder bombastische Effekte aus dem Hut zu zaubern. Das ist nicht mein Stil.
DK: Wenn du deinen ältesten Sohn als Produzenten für deine neue Scheibe eingesetzt hast, heißt das, du hast mehr Vertrauen zu ihm als in dich selbst, aktuell zu sein?
SR: Mein Sohn Cecil, der zum Zeitpunkt der Produktion 17 war, ist nicht der Produzent. Er ist der Co-Produzent, aber das war der Anlass, diese Platte überhaupt zu machen weil es sehr viel Spaß gemacht hat, mit ihm zu arbeiten. Seine Abteilung waren die Sounds und die Beats. Ich glaube schon, dass es zum großen Teil an der Zusammenarbeit mit meinem Sohn liegt, dass dieses Album so nach 2006 klingt.
Wäre ich allein daran gegangen, hätte ich es wohl auch so versucht, oder gar nicht gemacht. Ich wiederhole nicht das, was ich zuletzt gemacht habe. Das hätte mich nicht interessiert. Aber, noch ein Wort zu den Gastmusikern.
1,2,3,4…war schon fertig, als wir uns überlegten, dass da noch eine Kirsche obendrauf gut passen würde, zum Beispiel in den Remixes, der Reproduktion. Da fielen uns Namen von Musikern und Bands ein, die wir selber gut finden, von denen wir auch die Platten haben und hören. Über deren Management haben wir den Kontakt hergestellt, und dann war es eine sehr schöne Erfahrung für uns, dass da so viele positive Antworten kamen. Mit einem Mal waren es sehr viele, die ja gesagt haben und gern dabei gewesen wären, und nun haben wir ein Doppelalbum mit 36 Titeln.
Eins möchte ich noch dazu sagen. Als es um die Kopplung, die Reihenfolge der Titel ging, da dachte ich im Vorfeld, das würde sicher sehr schwer werden. Einmal Stephan Remmler, dann „Thomas D.“, dann zweimal Stephan Remmler, dann „Seeed“, dann wieder ich und dann „Deichkind“ usw., diese Abwechslung. Aber, überraschenderweise war es gar nicht schwer. Es ging nahtlos ineinander über, und ist mit diesen Neuproduktionen ein sehr homogenes Album geworden. Was die Arbeitsweise betrifft, bezüglich „eingeflogen“ und so, wir sind mit diesen Leuten nicht zusammen im Studio gewesen. Ich kenne einige von ihnen privat, wir haben uns getroffen, viel telefoniert. Letztendlich habe ich ihnen meine Vocals geschickt und sie haben in ihrem Studio ihre eigene Musik und meinen Gesang zu einer neuen Version gemacht.
Das war eine schöne und äußerst angenehme Arbeitsweise.