TRIO
"Einmal Großenkneten, Rückfahrkarte bitte!". Der Fahrkartenverkäufer an Schalter 7 ist offensichtlich kein aufmerksamer Fernsehzuschauer, vielleicht war er auch nur im Nachmittagsstress, jedenfalls ist er nicht Inhaber dieser gewissen LP, die dieses niedersächsische Örtchen auf einen Schlag bekannt gemacht hat…
"Sie hören doch bestimmt manchmal Radio…, dann müsste Ihnen doch "Dadada" bekannt sein." Ein wenig entgeistert kam das "Jaah…" zurück. Also doch, auch er war ein Kenner dieser goldenen Silben, die einem wie der süße Saft halb zerkauter Gummibärchen über die Zunge rinnen und einen angenehmen klebrigen, einmaligen, wenn auch undefinierbaren Geschmack hinterlassen. Da hört jeder Widerstand auf und man gibt sich hin mit dem kindlichen Vergnügen, eins rot, eins grün, eins gelb,… dadada!
Kaum, dass ich mich im Zug niedergelassen hatte, fiel mir siedend heiß ein, dass ich den guten Mann gar nicht gefragt hatte, ob der IC überhaupt in Osnabrück halten würde… nun gut, Kopfhörer auf, Schaffner gefragt und aufgepasst. .. Für den Rest der Fahrt verzichtete ich auf weitere Publikumsbefragungen.
Ein angenehmer, ja geradezu ehrenvoller Auftrag war es doch, den ich auszuführen hatte… "Besuche Deine Stars zu Hause" und du wirst mehr wissen als die Anderen!
Konnte es bei diesen Stars denn überhaupt noch etwas herauszufinden geben, bei Stars mit diesem ,,Es-gibt-nichts-zu-verbergen"-Image, das über Video, Schallplatte und Fernsehen schon dafür gesorgt hat, dass ihr winziger Ort bei Oldenburg bundesweit bekannt ist. Was zur Folge hat, dass des Sonntags die Spaziergänger die Regenterstraße zu ihrem Ausflugsziel erklären — die Regenterstraße: die Straße, in der Trio wohnt. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich um die magischen Drei, was hätten die drei Musketiere schon als Einzelpersonen hergegeben … Drei Männer in einem Boot, drei Männer in einem Haus, die das Schicksal aneinander kettet…
"Besuche Deine Stars zu Hause!" Die Gegend hatte nun wirklich nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit Beverly Hills und der Bahnhof noch nicht einmal die Ausmaße einer Straßenbahnhaltestelle, und hier also sollte das Domizil der Oberhäupter der deutschen Popmusik sein! Kein bisschen Glamour, rundherum nur Felder und Kühe. Ich pumpe für eine Minute frische Landluft in meine Großstadtlunge. Der Mercedes 350, metallicblau, ist die reinste Wohltat. "Das war schon immer mein Traum, und den habe ich mir jetzt erfüllt." Der Mann neben mir steuert die Limousine sicher und schnell über baumgesäumte Landstraßen. Er heißt Kralle Krähwinkel und ist der Gitarrist von Trio.
Nachdem er mich in ein Restaurant geführt hat, wo mir nach einem obligatorischen Bommerlunder die gebratenen Forelle auf der Zunge zerging, war ich schon ansatzweise über die Vorzüge des Landlebens aufgeklärt…
"Wir sind keine Landfreaks, aber hier hat man seine Ruhe, frische Luft und außerdem hat Bruno genug Auslauf." Bruno ist Kralles junger Hund. Ja, ein Mann braucht einen Hund und außerdem Fußball. Deshalb müssen wir schnell zum Trio-Haus, das Haus am Ende der Straße. Das Spiel hat schon begonnen: Deutschland—Ungarn. Der Fernsehabend findet in Kralles Zimmer statt. Obwohl der Raum gerade die normalen Ausmaße des typischen Einfamilienhaus-Kinderzimmers hat, stellt sich auch Peter Behrens, der Schlagzeuger und ewige Schweiger, vor dem auf einem Brokatdeckchen stehenden Fernseher ein. Die Topfpflanze obendrauf hat den gleichen traurigen Blick wie Peter. Im Laufe des miserablen Spiels verdüstert sich seine Miene noch mehr und er lässt sich sogar zu einigen Äußerungen hinreißen. Nach seinem 90minütigen Aufenthalt wird er sich nicht mehr blicken lassen. Der zweite Trio-Teil hinterlässt zu Hause doch wahrhaftig den gleichen Eindruck wie auf der Bühne… ein etwas sentimentaldreinschauender Ritter von trauriger Gestalt. Ein Stiller, der verdrossen seine Schlagstöcke und seine Mimik für sich sprechen lässt. Einfach ringo-esk! Einmütig wurde der mangelnde Sportsgeist der deutschen Mannschaft beklagt und verflucht: "Geld verdirbt eben den Charakter…, ausgekochte langweilige Profis…" Kralle zieht Tennis neuerdings ohnehin dem Fußball vor… "da geht's Mann gegen Mann".
Und wie sieht es bei Trio aus, mit dem Sportsgeist? Das dritte Da, seines Zeichens Sänger von Trio, interessiert sich überhaupt nicht für Fußball. Stefan Remmler lässt sich dennoch, lässig ein Glas in der Hand schwingend, zu einem kurzen Begrüßungsgespräch neben mir auf der Bettkante nieder.
Wirklich sehr lässig, der Mann mit fast städtischem Aussehen. "Die Anzüge hat er alle von seinem Vater", erklärt mir Kralle später "Stefan steht auf so was". Ich auch. Der Mann mit dem kurzgeschorenen Haar ist zweifelsohne der Charmeur der Truppe. "Big cool" … höre ich meinen kleinen Bruder sagen.
Kralle ist nicht so, er hat Bob Dylan an der Wand hängen und ein Schaffell als Bettvorleger, das ist nicht "big cool", und dennoch, da muss doch etwas sein, was verbindet…! Zusammen arbeiten, zusammen leben, drei Männer im nicht mehr jugendlichen Alter, die beschlossen, eine verschworene Gemeinschaft zu gründen… das hat schon was von Hemingway'scher Kameraderie, von diesen Männern, die sich ausschließlich nass rasieren und Mann bei Mann uneinnehmbare Festungen für die Frauen darstellen… und Frauen sind im ganzen Haus nicht zu finden, noch nicht einmal Spuren von Frauen… kein Lippenstift im Badezimmer, keine Blumen, keine netten Kleinigkeiten, die nur sinnlos und schön sind, da fehlt jeder Funken von Liebreiz.
"Nur ein Kuss, dann ist Schluss?"
Kralle versucht' s mir zu erklären…
"Also mit Frauen, das ist an sich ganz normal. Keiner läuft hier irgendwie in Gummikleidung durchs Haus und jeder hat eine Freundin!"
"Aber ihr lebt hier trotzdem als eine reine Männergesellschaft zusammen!"
Ja, das ist richtig, zufällig haben wir den gleichen Geschmack…, dass wir im Prinzip lieber alleine Leben und nicht die traute Zweisamkeit pflegen wollen. Das hat jeder von uns schon hinter sich. Es hat sich so ergeben, als wir zusammenkamen und wir haben es beibehalten.
Ich bin noch am meisten liiert, ich habe Frau und Kind, die wohnen in Oldenburg. Ich bin ganz gerne alleine, auch wenn das manchmal langweilig ist und ich mich depressiv im Bett herumwälze…… worauf ich nicht verzichten könnte, ist der Übungsraum."
"Dann eher auf die Frau, was?"
"Ja, die Frage, entweder Du oder die Musik, die hat sich am Anfang jeder Musiker zu stellen. Das kennt jeder Musiker, wenn sie zu Tränen zerflossen vor einem steht…!
Aber im großen und ganzen kann ich sagen, dass wir die Frauen lieben! Natürlich haben wir da auch unsere Schwierigkeiten und die beschreiben wir in unseren Liedern."
"Dann ist DADADA mehr als ein Witz."
"Es gibt eben Situationen, wo Leute zusammensitzen, die sich nicht mehr lieben und wo keiner das ausdrücken will. Die Situation beschreibt das Lied. Wir konzentrieren uns eben ganz auf die Musik. Aber hier im Haus… das ist unser Ding. Ich finde, wenn man eine Arbeit hat, auf der man steht, ist das das Wichtigste."
"Soviel zu zweit, meistens breit, das geht zu weit…"
klingt es auf der neuen Trio-LP. "In dem Sinne handeln die meisten Stücke von der Liebe."
Ich verfolge die harte Linie von Kralle, dem "alten Mucker, der unbedingt Wert auf handwerkliches Können" legt. Wo kommt er denn nun her, der Erfolg?
"Ich finde es wichtig, dass die Leute wissen, dass wir hart arbeiten, nüchterne harte Arbeit, das war auch für mich eine ganz neue Erfahrung, aber es hat hingehauen. Es liegt daran, dass wir die Sachen genau überlegen…"
"Aber hattet ihr den Erfolg erwartet?"
"Nein, Du hoffst natürlich, aber das haben wir nicht erwartet. In Deutschland haben wir dafür gearbeitet, Touren durch Plattenläden… aber wer hätte das gedacht. Das war ein Glücksfall mit der Nummer. Das ist ein Phänomen und irgendwann hast Du das nicht mehr unter Kontrolle… Also man denkt, und so war's auch am Anfang, dass man für Gleichaltrige Musik macht… weil wir dachten, dass erst die über 25 den Witz verstehen, als es aber mit "Dadada" losging, da waren es 12- bis 13jährige, sogar 8jährige, die es gut fanden, das war überzeugend… und Omas auch! Die erste LP war eine im Rockfeeling kompromisslose Scheibe, "Dadada" wurde dann auch erst später draufgemacht. Das hätte sich nie jemand angehört wie z.B. meine Mutter. Erst durch "Dadada" und unsere lustigen Auftritte im Fernsehen…"
Aber habt ihr es nicht drauf angelegt?
"Ja, in gewissem Sinne schon… andere nehmen sich vielleicht zu ernst, sind nicht lustig genug und verstehen sich zu sehr als Künstler. Es zieht sich gerade durch unser Programm und die Musik, dass man sich nicht zu ernst nehmen soll. Wir nehmen uns nicht zu ernst, obwohl wir natürlich unsere Arbeit ernst nehmen. Aber persönlich sein eigenes Ego so herauszustellen, das finde ich peinlich.
Gestern im Fernsehen, z.B. Gianna Nannini, grauenhaft! Finde ich entsetzlich, dieses Leiden, Stefan würde das nicht machen…"
Das Stück "Sabine", das ist so entstanden… das war musikalisch mit dieser Gitarre eine wunderbare Schnulze, wenn er dann ernsthaft darauf gesungen hätte, war's wirklich eine Schnulze geworden, dann ist uns als letzte Möglichkeit die Idee mit dem Telefongespräch gekommen und das hat den nötigen Bruch erzeugt.
Wir lassen eine Distanz, dadurch hat das dann ein Niveau, das ich ernst nehmen kann. Das Andere, nee, die Zeiten sind vorbei."
"Glaubst Du, das hat was damit zu tun, dass ihr schon älter, sozusagen gereifter, seid?"
"Zweifellos, wir haben im musikalischen Leben einige Sachen einfach schon abgehakt oder auch durchgezogen."
Ich schaue mich um, so wie sich die Schnulze mit dem Telefongespräch vereinte, so haben sich die ausgesprochen biedere Wohnzimmergarnitur im Wohn- und Gesellschaftsraum mit einem Telex zu einer Sache vereint, so vereinigten sich Bob Dylan über Kralles Bett und Stefans halber Papp-Elvis im Übungsraum mit Ravel, den Peter in seinem Gemach hüten soll, zu dem mir der Eintritt verwehrt blieb.
Dylan, Elvis und Ravel, welch ein Trio.'
"Ich bin ein großer Dylan-Fan, ich kann meine Geschichte nicht zurückschrauben und so ist auch mein Musikgeschmack. Ich komme selber oft in die Gefahr, ein Stück zu sehr in dieser Richtung anzulegen. Nur bremsen mich die anderen wie ich sie bremse… mit ihren musikalischen Vorstellungen.
Stefan und ich machen die Stücke und Peter ist so was wie ein Puffer — und das ist dann eben das Trio-Ding! Aha… eine Spur von Erkenntnis begieße ich mit einem edlen Cognac, den mir Kralle serviert hat. Trio… das ist das, was bei allen Brüchen und Puffern herauskommt, das Resultat eines geradezu gruppendynamischen Prozesses… der kleinste gemeinsame Nenner… so einfach wie "Bum-Bum". Und wer könnte sich unter Bum-Bum nichts vorstellen!
Und jeder spendet seinen minimalen, aber gekonnten musikalischen Beitrag und jeder zieht die Show ab, die ihm Spaß macht, minimal natürlich, Kralle sein "Rock'n'Roll"-Ding, Stefan seine "Elvis-Sinatra"-Kombination und Peter seine "Ewig-zu-kurz-kommender-Schlagzeuger-Nummer". Spaß muss…
… aber der Spaß ist bei allen augenscheinlichen Zufälligkeiten überlegt; und jede Gelegenheit ihn vorzuführen wird genutzt. Trios Arme reichen weit in die Medienlandschaft hinein. Sie waren die ersten, die Videos zu ihren Singles in Deutschland herausgebracht haben, selbstproduzierte versteht sich, die ersten die sich trauten, in der Hit-Parade aufzutreten…
"gerade, weil es so eine kaputte Sendung ist!" Sie sind sich für nichts zu schade, auch eine Tour mit Eberhard Schöner war machbar, aber alles… wohlüberlegt:
"Mit der Einstellung: Das ist sowieso ein Arschloch — kommst Du eben nicht weit. Früher habe ich da anders gedacht, als wären das meine Feinde."
"Auch die Plattenfirmen, das sind Geschäftspartner, die man korrigieren und mit denen man reden kann!"
Der Weg zur Selbsterkenntnis war lang und dornig.
"Ich habe früher schon mal zwei Platten gemacht, habe mir für 5000 Rechte abkaufen lassen, ja mit son'nem Hippie kannst Du es machen, wenn er so doof ist…"
Heute ist das alles ganz anders. Trio geht auf manches ein.
"Wenn Du die Möglichkeit hast, was machen, musst Du genau wissen, wo sie Dich verbraten wollen und wenn es Dir nicht ganz entspricht, dann musst Du aufhören!"
In der Hitparade kann man auftreten, aber nur einmal, und es ist wichtig, der Erste zu sein. Auf klamaukige Geschichten wie den "Ich will Spaß…"-Film und Angebote, in der Ostfriesen-Ecke mit Helga Feddersen zu blödeln, kann man durchaus verzichten.
Denn… sie hatten da schon immer eine durchschlagende "Wir sind die ersten Idee" … auf der "Kleinsten-Nenner-Ebene".
Andy W. setzte in seinen Blüteerfinderjahren seine Signatur unter die göttliche Campbell's Büchsen-Abbildung. Trio haben ein einfaches "Bye-Bye" über das Cover für ihre neue LP geschrieben und benutzen den Rest als Werbefläche, das Inserat für 10000 Mark.
Aber Kunst kostet eben was und Werbung auch… und wenn das zusammenkommt, kostet es noch mehr…
"Das ist eine äußerst progressive Werbeidee! Aber man kann es nur einmal machen. Die anderen werden es nachmachen. Aber es ist schön, wenn man sagen kann, dass wir die ersten waren. Auch die Plattenfirmen, erst waren die nicht begeistert… jetzt wollen sie mitverdienen.
Die Idee als solche, als Kunst, hat uns fasziniert. Es war nicht wegen des Geldes. Und es sieht gut aus, oder?" Die Stars vermeiden jegliche Form von Ausverkauf — nur "Greenpeace" bekommt die Werbung umsonst.
"Immer noch einmal" - manchmal fällt er, manchmal steht er scheißegal…"
Trio sind keine Wiederholungstäter, und die neue LP nebst der Singleauskopplung "Bye Bye" beinhaltet einige Geschmacksrichtungen mehr als rot-gelb-grüne Gummibärchen. "Die Platte hat nicht mehr den ersichtlichen roten Faden, den die erste hatte, so Bääng!! Es sind verschiedene Sachen drauf, die sich wie ein Fächer entfalten. Und jedes einzelne Stück ist bis zur Perfektion, soweit wir konnten, bis zum Ende ausgeführt… da kannst du W! W!W. nehmen, was ich mit Holger Czukay, diesem genialen Schnibbelkünstler, gemacht habe, oder einfach ein kompromissloser Rock'n'Roll. Also jedes einzelne ist dem Lied gerecht produziert. Wenn wir uns bemüht hätten, genauso etwas herzustellen wie auf der ersten LP, das wäre Scheiße gewesen, weil so was nur einmal zu machen ist. So haben wir uns bemüht, auch einen besseren Sound hinzubekommen … Wir haben das in N.Y. abgemischt, aufgenommen haben wir aber im Can-Studio."
"No Tender kiss you leave me alone each night - ich tue mir selbst so leid - Fernsehen aus - uuh, l 'm feefing sorry for myself… - was soll ich machen Du kommst ja doch nicht ich denk an mich…"
Der Biss im Witz sitzt immer noch, und der internationalen Karriere dürfte dank der hemmungslosen deutsch-englischen Sprachkombinationen eigentlich nichts mehr im Wege stehen.
Die Verbindungen vom toten Eck zur Außenwelt klappen auch vorbildlich. Annette Humpe singt mit, Holger Czukay spielt mit, Klaus Voormann produziert und ist inzwischen "Vollmitglied", also der 4. Teil von Trio. Über den wiederum erhielten Trio den Zuschlag von Yoko Ono, als Vertreter für Deutschland eines ihrer Stücke zu interpretieren. Sie wählten sich "Wake Up" aus und engagierten einen Männerchor aus Weilerswist für den Chorgesang.
Der Kreis soll sich ständig erweitern, für Kralle ist es gerade das, was an der Arbeit soviel Spaß macht… viele verschiedene Leute treffen, mit denen man was macht. Eine die ihm und den anderen sehr gefallen hat, war Domenica.
"Die habe ich auch durch meine Arbeit kennen gelernt. Wir hatten sie in einer Talkshow gesehen. Diese Halbintellektuellen, die wollten sie fertig machen und fragten: ,Sie sind also eine Prostituierte… ?' — aber sie machte sie nieder mit ihrer Herzlichkeit, als sie sagte: ,Ja, ich bin eine Nutte' und ,Ich möchte, dass ein Mann bei mir groß herauskommt'… — Sie ist eine tolle Frau. So hat sich das mit dem Video ergeben und sie hat ja gesagt."
Ich höre immer wieder Arbeit. Das ist in Ordnung, aber braucht der Mensch nicht auch mal einige Vergnügungen? "Seit wir den Erfolg hatten, haben wir viele Termine, da muss man sich alles einteilen."
Hört ihr Euch denn z. B. keine Musik an?
"Nee, wir hören keine, keiner von uns hat eine Anlage und das hier (Wohnzimmer) ist unsere Gemeinschaftsanlage, aber Du, hier sind kaum Platten (stimmt) und wenn wir was hören, so geht es mir und Stefan auch, dann hören wir überhaupt nur Musik im Autoradio… oder im Fernsehen. Gezielt gucken wir uns alle Musiksendungen an. So erleben wir natürlich immer nur die Spitze des Eisbergs, bekanntere Sachen. Wir sind nicht so vorne dran, was die Musikgeschichte angeht, aber das macht nichts… Werd' schon merken, wenn einer gut ist."
Aber man muss doch wissen, was um einen herum vorgeht!"
"Du denkst, man muss als Musiker immer vorne dran sein, und immer hören, was machen die, und welche Mittel benutzt der… das ist einfach zuviel… andere Sachen zu hören, da ist mir die Zeit zu schade, die Energien, die gehen da in eine andere Richtung. Wenn ich jetzt Herbie Hancock hören und mich darein schaffe, das ist für mich zu großer Stress, es sei denn, es passiert im Radio … aber extra eine Kassette kaufen, nee…"
Erschrecktes Erstaunen meinerseits über soviel häusliche Genügsamkeit. Musikalische Pioniertaten erwarte ich ja gar nicht, sind auch nicht drauf auf der neuen Platte, aber die Art und Weise wie sie zitieren und parodieren hatte mich doch etwas mehr Aufgeschlossenheit erwarten lassen. Aber wozu den netten Kralle in die Wüste schicken, er ist eben ein alter Gitarrenfreak.
"Nen leven Jung", wie man in Köln sagen würde. "Der leve Jung" verabschiedet sich des Nachts, nicht ohne mir frische Bettücher und die freie Wahl zwischen dem "Spiegel" und einigen Walt Disney-Heften zu hinterlassen. Ich werfe einen Blick auf Tick, Trick und Tack. Bei denen ging es doch um einiges turbulenter zu als bei dem Trio, und bei den Musketieren auch…
Die Walt Disneys kenn ich alle schon, also greife ich zum Spiegel und gucke noch einmal zum Fenster raus. Ich glaube, ich würde mich hier furchtbar langweilen.
Jutta Koether