TRIOlogie

Stephan. Peter. Kralle.

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rock-musik_die_vital_wirkt_und_eingaengig_klingt_1996

Rock-Musik, die vital wirkt und eingängig klingt

Stephan Remmler - „Schweinekopf" (CD-M: MCD 70 209); „Amnesia" (MCD 70 005 MCA)

16 Jahre ist Stephan Remmler nunmehr im Musikgeschäft, und die bisherige Bilanz kann sich sehen lassen: Der singende Ex-Pädagoge hatte mit Trio mehrere Hits (neben anderen auch „Da Da Da") und als Solist eine lange Kette von Erfolgen zu verzeichnen. Er wußte bei all seinen musikalischen Experimenten stets das Publikum auf seiner Seite, ganz egal, ob er sich nun vor Hans Moser oder Jupp Schmitz verbeugte, zusammen mit Status Quo oder den Toten Hosen rockte.

Auf seinem neuen Album, „Amnesia", zeigt sich Remmler gewohnt unberechenbar: Zu erfrischend bodenständigen Rock-Rhythmen und Ohrwurmmelodien liefert der 48jährige Texte, die mit ihrer Mischung aus bemerkenswerter Offenheit und bitterbösem Humor zum konzentrierten Zuhören animieren. Stephan Remmler besaß schon immer das Gespür für richtiges Timing: Mit ihren minimalistischen Pop- und Rock-Klängen erschien die Band Trio genau zu jenem Zeitpunkt auf der Bildfläche, als die deutsche Musikszene gerade ihre Version von New Wave kreierte. Die drei ehemaligen Wohngemeinschaftler aus Großenkneten schwammen ganz oben auf der Neuen Deutschen Welle und schafften mit „Da Da Da" die Eroberung der Charts.

1986 ahnte Solist Stephan Remmler die wiederkehrende Lust am klassischen deutschen Schlager voraus und präsentierte sich als schlitzohrige Ausgabe eines Heinz-Rühmann-Epigonen: Hits wie "Keine Sterne in Athen", "Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei" oder "Keine Angst, hat der Papa mir gesagt" sorgten bundesweit für gute Stimmung, die Alben "Stephan Remmler" und "Lotto" für ausgezeichnete Umsätze.

1993 erfolgte auf "Vamos" eine Art Rückbesinnung auf seine Rock-'n'-Roll-Roots, denn mit dieser Musik hatte einst alles für ihn angefangen - damals in Bremerhaven, als er in der Beatband Just Us die Rolling Stones, Kinks und Chuck Berry coverte. Befürchtungen, eventuell mit diesen "neuen" Tönen die alten Fans zu irritieren, hatte er nicht. "Ich hab's mir von meiner Vita und meinem Publikum her ja immer leisten können, daß ich Alben aus dem Bauch heraus machen konnte - und nicht etwas, was man von der Produktidentität her eigentlich hätte machen müssen", erklärte Stephan Remmler damals. "Mit Trio haben wir versucht, eigene Ausformungen der Rock-Musik zu finden, also nicht nur das bloße Nachmachen der anglo-amerika-nischen Vorbilder. Und das habe ich danach weiter versucht, auch wenn es vielleicht nicht unbedingt für jeden so deutlich war."

Die Suche nach rockmusikalischen "Ausformungen" setzt Stephan Remmler jetzt weiter fort. Das von ihm gemeinsam mit Markus Löhr produzierte Album "Amnesia" bietet geradlinige Rock-Musik, die vital wirkt, eingängig klingt und vor allem abwechslungsreich ist: Der Song "Nie wieder Anita" wird beispielsweise von Slidegitarren-Sounds und mexikanisch angehauchten Bläserklängen umrahmt, "Ich will in dein Haus" ist ein Blues mit Baß- und Klavierakzenten. Die rockige Nummer "Cabrio weg" stünde auch einem Westernhagen gut zu Gesicht. Bei der ersten Single, "Schweinekopf", verwendet der Sänger und Songschreiber die Musik als ironisierendes Stilmittel, das die subtile Bösartigkeit der Textzeilen auf die Spitze treibt:

Während die relaxten Reggae-Rhythmen fröhliche Urlaubsstimmung suggerieren, singt Remmler über das, was Sextouristen in fernen Ländern mit kleinen Kindern treiben - und zwar aus der Sicht eines der Opfer. Der - bedauerlicherweise - aktuelle Song über Kinderprostitution endet mit dem bitteren Satz: "Und wenn ich groß bin, bring' ich dich um." "Schweinekopf" ist ein provokanter, deutschsprachiger Titel, der nicht von jungen, radikalen Rappern, sondern von einem etablierten Pop-Musiker stammt. Um jedoch keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Der dreifache Familienvater versteht dieses Lied als Ausdruck seiner Wut, sich selbst aber nicht als singenden Soziologen oder als ein Missionar: "Am Anfang steht immer die Musik. Dann gesellt sich ein Gedanke, eine Vorstellung hinzu. Ich suche mir das nicht aus unter dem Aspekt: Das interessiert die Leute, dazu sollte ich mal was schreiben."

Weniger radikal, aber genauso direkt gibt er sich zum Beispiel in "Cabrio weg", einer bitteren Abrechnung mit einer egozentrischen Ehemaligen ("Ich war dein Hampelmann, und jetzt ist auch noch der Cabrio weg"). Natürlich kann Stephan Remmler auch ganz anders: Sanft, fast verführerisch präsentiert er sich in "Im Meer der Liebe", als empfindsamer Mann in dem melancholischen Abschiedslied "Keine Liebe mehr am Morgen".

DER MUSIKMARKT AUSGABE 42/1996

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