TRIO/USA

WIE DIE JUNGS AUS GROSSENKNETEN MIT DA DA DA UND BOOM BOOM INS HERZ DER AMIS TRAFEN

1 Uhr nachts im New Yorker Rockpalast „Ritz". Auf einer riesigen Leinwand laufen Videofilme über Breakdancer. Kaum einer der rund 1.500 Zuschauer schenkt den Darbietungen große Beachtung. Alle starren auf den Spalt zwischen der Bühnenrampe und dem Leinwandende, hinter dem hektisch hin- und herlaufende Roadie-Beine zu sehen sind. Ungewöhnliche Spannung ist im Saal zu spüren. Nicht irgendeine der unzähligen neuen New Yorker New-Wave- oder Rockgruppen wird heute erwartet. Ganz im Gegenteil: Die ,Krauts'(wie die Amerikaner die Deutschen leicht spöttisch nennen) sind hier. Trio is in town!

Die norddeutschen, selbst ernannten „Minimal-Rocker" haben auch in der Stadt am Hudson wie in vielen größeren US-Städten eine immer größer werdende Zahl an Fans, und die renommierte Zeitschrift „Rolling Stone" feierte die soeben in den USA erschienene Trio-LP „Trio and Error" mit einer begeisterten Plattenbesprechung. „Da Da Da", meint ein Mädchen mit einer blonden B-52's-Topffrisur und in einem petticoataufgeblähten Cocktailkleid aus den 50er Jahren und deutet auf die sich langsam erhebende Leinwand. „Boom Boom", antwortet ihr Begleiter im giftgrün schimmernden Lurexjacket und mit der pomadisierten Elvistolle. Trio-Konversation auf amerikanisch… ,Drei Mann im Doppelbett' erklingt von der dunklen Bühne. Wo aber sind die Musiker?! Nur eine wohlproportionierte aufgeblasene Gummipuppe steht im Bühneneck. Von Stefan, Peter und Kralle keine Spur. „Das ist echt cool" meint das Lurexjacket zu der Topffrisur, „die lassen einfach ihre Platten ablaufen und machen sich derweil hinter der Bühne eine schöne Zeit."

In diesem Augenblick aber kommen die drei Deutschen unter großem Publikumsgejohle auf die Bühne. Peter trägt wie immer knallrote Hosenträger über einem weißen T- Shirt und gleichfarbiger Hose. Stefan trägt einen Zweireiher unter dem ein rotverwaschenes T-Shirt hervorblitzt Die beiden Trios blicken sich ernst an. Dann gestikulieren sie mit ihren Händen Messer, Schere, Stein und Papier. Stefan gewinnt. Stumm trottet Peter zum Schlagzeug. Leadsänger Stefan Remmler ergreift das Mikrophon.

„Die Leute erwarten immer von uns, daß wir lustig sind", meint Stefan in fließendem Englisch, aber mit sehr rauher Stimme. „Darum bringen wir den Humor immer gleich zu Beginn der Show hinter uns." Und mit einer Handbewegung auf die Gummipuppe: „Das ist übrigens Lucille oder Lucy, wie wir sie nennen", meint der Sänger, „zu jeder guten Show gehören natürlich attraktive Girls. Aber wir kommen aus einer sehr kleinen Stadt in Norddeutschland und dort I gibt es nicht allzu viele hübsche Mädchen." Wenn das die Girls von Großenkneten hören!

Auch in Amerika mußte die Gummidame als Blickfang für Trios Show herhalten, die sie im November in Los Angeles, New York und Montreal zeigten. Der Klimaunterschied zwischen dem sonnigen Kalifornien und dem schon sehr herbstlich kalten New York hatte bei Stefan eine schwere Halsentzündung hinterlassen. Amerika ist aber das Land aus dem der Spruch kommt: The show must go on."Also hatte Stefan sich für seinen Auftritt im „Ritz" von einem Hals-, Nasen-Ohrenspezialisten wenigstens halbwegs fit spritzen lassen. Zwar versäumte der Trio-Leadsänger dafür die von der Plattenfirma für die Gruppe vor dem Konzert gegebene Party in der neuen, In-Kneipe „Be Bop Cafe", aber im Rockpalast „Ritz" fetzte Stefan dann gewohnt lässig und zur Begeisterung des Publikums fast eine Stunde lang über die Bühne. Zwar klangen alle Songs etwas rauher als gewohnt, die Show aber war ein witziges Bühnenspektakel der besten Rock'n'Roll Machart. Nur Lucy ging im Laufe ihres Auftrittes sichtlich die Puste aus. Abgeschlafft und mickrig hing die Gummidame zum Schluß auf ihrem Ständer.

Ob die englisch gesungenen Songs „Tutti Frutti"; „Lady don't go" oder "Tooralooralooraloo" oder deutsch gesungene Lieder wie „Ich habe Kummer" oder „Der Hund" — sie alle fanden den begeisterten Zuspruch des Publikums. Als Stefan dann mit breitem Grinsen einen Song ankündigte, der auch hierin New York „ein bißchen bekannt" sei, war die Begeisterung im Saal kaum- mehr zu bremsen. „Da Da Da" (auf englisch: I don't love you — you don't love me aha aha aha) erwies sich bei diesem Auftritt im „Ritz" von New York als der Höhepunkt des Abends. Danach senkte sich die Leinwand wieder herab, und Trio ließ das dazugehörige Video abspielen, das von amerikanischen Fernsehanstalten nicht gesendet wird, weil in einer Szene eine Kellnerin ein Messer im Rücken stecken hat. „Da Da Da" geht bei den prüden Amis gar nichts… Daß Trio nicht abergläubisch sind, bewiesen sie zum Abschied ihres New Yorker Gastspieles, indem sie das letzte und 13. Lied des Abends als Zugabe spielten, ohne zuvor von der Bühne zu gehen. „Es ist schrecklich peinlich, wenn man hinter den Vorhang geht und auf den Beifall für die Zugabe wartet", meinte Stefan„,und dann klatscht niemand. " Mit Schmirgelpapierstimme kündigte der Sänger ein Lied als „ Trio Bommerlunder" an, das sich als der gute alte Harry-Belafonte-Song „Island in the Sun" entpuppte. „What's Bommerlunder?" meinte ein Mädchen zu ihrem Begleiter. „Muß was mit ihrem Hit Boom Boom zu tun ha¬ben", lautete die Antwort. Wie aufs Stichwort senkte sich in diesem Augenblick die Leinwand wieder herab, und das Video zu dem Trio-Hit „Bum Bum" lief ab. „Bum Bum" schreibt sich im amerikanischen übrigens „Boom Boom"— wie ein Bo(o)mmerlunder.

Die nächste Tournee von Trio wird nach langer Bühnen-Abstinenz wieder in Deutschland stattfinden. Und zwar in ungewöhnlichem Rahmen: Trio werden im März oder April zusammen mit Kultstar Joe Jackson quer durch Germany touren…

Popcorn, 1984