über zwischen Humpta-täterä und Tschernobyl
Das Trio "Trio" 1979 in Großenkneten bei Hamburg gegründet, wurde mit "Da da da " weltbekannt - die Hymne der Neuen Deutschen Welle machte in Skandinavien genauso Furore wie in Südamerika. Dann floppten die Pop-Minimalisten mit ihrem Film und der zugehörigen Langspielplatte. Stephan Remmler, 40jähriger Kopf der Gruppe, zog seine Konsequenzen und machte allein weiter - und wieder mit Riesenerfolg: Seine Songs "Alles hat ein Ende" und "Keine Sterne in Athen"« belegten Spitzenplätze in den deutschen Hitparaden.
PLAYBOY: Warum der Wechsel von Trio zu Solo?
REMMLER: Wenn die Leute verliebt sind, fragt keiner: "Wieso liebt ihr euch?" Wenn sie sich trennen, fragt jeder: "Wieso trennt ihr euch?" Das ist eine organische Auseinanderentwicklung. Trio-Lieder waren immer Dreier-Kreationen. In der Endphase schlug das dann zu sehr nach einer Seite aus - bei Nummern wie Turaluraluralu begriffen sich die anderen nur noch als Begleitmusiker, und das war nicht das Konzept von Trio.
PLAYBOY: Sind Sie ein lustiger Mensch?
REMMLER: Als Künstler habe ich einen eher stillen Humor. Ich bin aber immer wieder überrascht, dass meine Stücke als Blödelnummern aufgefasst werden. Ich fand weder Da da da noch Keine Sterne in Athen ausgesprochen komisch. Ich begreife mich auch überhaupt nicht als Komiker, bin also meilenweit von Otto entfernt. Privat lache ich sehr gerne. Einerseits hab ich was übrig für so 'ne Art Stammtischhumor, solange er nicht diskriminierend ist. Andererseits gibt's für mich auch keine Tabus, wenn etwas wirklich komisch ist Wenn etwa bei einer Beerdigung eine Frau mit hohen Hacken langsam in den Schlamm einsinkt, das find' ich einfach witzig.
PLAYBOY: Würden Sie sich politisch engagieren?
REMMLER: Wenn es einfach darum geht, zusammen mit anderen Prominenten eine öffentliche Meinung zu demonstrieren und Druck auf Politiker auszuüben in einer Art, dass gesagt wird: "80 Prozent der Leute wollen das nicht", dann bin ich gerne dabei. In Deutschland ist es aber schon wieder so, dass es eine Art Gesinnungspolizei gibt, die auf jedem Atomfestival nur jene fünf Gruppen auftreten lässt, die sich auch sonst in ihrem ganzen Oeuvre unheimlich wichtig geben.
PLAYBOY: Sind Sie jetzt rundum Einzelkämpfer?
REMMLER: Ich produziere für mich, ohne irgend jemanden, der was zu sagen hat. Bei der Vermarktung der Musik ist es aber gut, wenn man auf Berater zurück greift. Die Leute sehen das mit den Managern meistens falsch. Die denken, man ist kein eigener Mensch mehr und muss fragen, wenn man aufs Klo gehen will. In Wirklichkeit sind Manager ein Luxus, den man bezahlt, damit man sich nicht über alles Gedanken machen muss und den Kopf von den vielen Business-Sachen frei hat. Nur so kann ich mich auf mein charmantes Charisma zurückziehen.
PLAYBOY: Zukunftsängste?
REMMLER: Ich war Beamter und wusste an sich nur, dass das nicht fürs ganze Leben sein kann. Deshalb hab ich als Lehrer aufgehört. Ich hatte keine Garantien und gar nichts, und meine Mutter hat geweint. Aber irgendwie wurde ja alles gut, und ich glaube, man muss im positiven Sinne das machen, was man fühlt.
PLAYBOY: Haben Sie eine Botschaft rüberzubringen?
REMMLER: Nichts ärgert mich mehr als Leute, die wichtig tun und im Grunde nur Banalität verbreiten. Bob Geldof hin oder her - ich geh' lieber auf die Bank und spende was und mach' als Künstler eine Platte, die reine Unterhaltung ist.
PLAYBOY: Finden Sie, dass wir in einer aufregenden Zeit leben?
REMMLER: Sicher ist, dass ich keinen Gedanken an früher verschwende und zum Beispiel den Sechziger Jahren nachweine. Wenn ich selber langweilig bin, dann merke ich es daran, dass ich vom ewig gleichen Trott nervös werde. Aber ob wir in langweiligen oder aufregenden Zeiten leben, kümmert mich nicht - das ist das Problem von Journalisten.
PLAYBOY: Was halten Sie von dem ganzen Rummel mit Videoclips?
REMMLER: Für mich als Musiker ist das schlecht. Ich bin keine 23 mehr und kein junger Gott wie der Sänger der Gruppe Europe. Andererseits muss ich aber zugeben , dass ich zu Hause eher zwei Stunden den Fernseher laufen lasse, als mir zwei Stunden lang neue Platten anzuhören,
PLAYBOY: Von Großenkneten zogen Sie nach München, von da in die Schweiz. Warum diese Unrast?
REMMLER: Alle drei Jahre muss ich mich nach etwas Neuem umschauen. Geographisch und persönlich gehe ich immer mehr aus dem Umfeld weg, in dem ich großgeworden bin. Meine Freundin ist es, die mir Halt gibt, und nicht der Umstand, dass ich mein Leben lang denselben Milchmann sehe. Darüber hinaus bin ich ziemlich autark. Ich fühle mich überall zu Hause. Meine Stimulanzen hole ich mir sowieso on the road.
PLAYBOY: Wie entscheiden Sie, was gut und was schlecht ist?
REMMLER: Die Popmusik ist ein Geschäft wie jedes andere, bloß gibt's keiner öffentlich zu. Der geschmackliche Level einer Sache äußert sich nicht darin, dass "Humpta-täterä" darin vorkommt und sie deshalb schlecht ist, oder ob Tschernobyl" darin vorkommt und sie deshalb gut ist. Für wichtig halte ich die Unterscheidung zwischen Fließband-Scheiße und etwas, das mit Herz gemacht ist. Unter meinem Geschmacksniveau liegt jede Art von hämischem Witz.
PLAYBOY: Warum leben Sie so ungesund?
REMMLER: Ich leb' an und für sich ein Doppelleben. Bin ich beruflich mit der Band und Medienleuten unterwegs, dann geht's auch an die Hotelbar bis nachts um vier mit allem, was dazugehört. Aber wenn das eine Woche lang so gelaufen ist, dann freue ich mich, wenn ich mal wieder sieben Tage daheim morgens Müsli essen und joggen gehen kann. Wenn mein Leben aus dieser Balance gerät, fühle ich mich nicht mehr wohl.
PLAYBOY: Passen die neuen Techniken in Ihr Musikverständnis rein?
REMMLER: Na klar. Das Instrument, mit dem ich größtenteils arbeite, ist zur Hälfte ein Computer. Trotzdem mache ich keine Computermusik. Von allem, was so an technischem Zeug an mich rankommt, nehme ich mir nur das, was mich kreativ weiterbringt. Soziologisch gesehen interessiert mich der kleine Kreis mehr als der große Strom.
Quelle: PLAYBOY Nr. 8, August 1987