Bernd Eilert über Trio, mit Trio, im Trio-Griff
Da, da, da sind sie wieder, die drei Chaoten aus Großenkneten (Ostfriesland). Nach zwei Jahren schöpferischer Pause starten sie eine Triathlon-Satire, mit der sich Ostfriesland - nach dem Otto-Film wohl endgültig in die Filmgeschichte eingraben dürfte.
Buch, Platte und Film des anarchischen Trios werden im September den Kulturbetrieb an drei Fronten umpflügen und in der Großhirnrinde als auch im Zwerchfell des Publikums unübersehbare Spuren hinterlassen.
Was uns zu dieser Prognose veranlasst? Die irrwitzige Story des Films. Hier ist sie:
Drei unbescholtene Männer im besten Alter, Bürger unseres Landes, Menschen wie du und ich. Eines Morgens aber wachen sie auf und machen eine grausige Entdeckung. Sie sind nicht mehr dieselben und sollen es nie mehr sein. Ihre Leidensgeschichte sollte uns Mahnung und Warnung sein, denn in diesem unserem Lande regiert der schreiende Wahnsinn!
Da ist der Professor für Informatik und Mathematik. Seine Frau betrügt ihn, aber das bekümmert ihn nicht besonders, denn erstens ist der Liebhaber sein bester Freund und zweitens ist er gerade dabei, ein schwieriges mathematisches Theorem aufzustellen. Darüber hinaus gibt es keinen Grund, ihm irgend etwas Böses zu wollen. Denkt er. Denn als er eines Morgens aus tiefer Bewusstlosigkeit erwacht, findet sich Professor Stefan Remmler in einer fremden und unfreundlichen Umgebung wieder. Die Fenster des Raumes sind vergittert, irre grinsendes Pflegepersonal redet ihn mit "Herr General" an und antwortet auf seine hartnäckigen Proteste nur gleichbleibend freundlich mit "Natürlich, Herr General". Kein Zweifel, dies ist ein Irrenhaus, ein exklusives zwar, aber ein Irrenhaus. Kein Zweifel auch, es muss sich um eine tragische Verwechslung handeln. Stefans Ärger wird nur unwesentlich gelindert durch den Umstand, dass er das Zwangsjackenschicksal mit zwei anderen Patienten teilt, die offenbar vor dem selben Problem stehen: Warenterminhändler Kralle Krawinkel und Peter Behrens, arbeitslos, mundfaul und ständig verliebt.
Den Folterinstrumenten moderner Psychologie sind sie nicht gewachsen, fügen sich in ihr Schicksal, akzeptieren ihre neue Identität. Sie knallen mit den Hacken zusammen, wenn der Oberarzt eintritt, heben die Hand zum zackigen Gruß, sind das perfekte Abbild lamettatragender Militärdiktatoren aus den südamerikanischen Bananenrepubliken. Je stärker sie die Rolle übernehmen, desto zufriedener wird das Pflegepersonal.
Kommt Zeit, kommt Rat, heißt derweil die Devise der unfreiwilligen Patienten. Während also unsere drei Protagonisten im Hospital gnadenlos den Triumph willentlichen Irrsinns inszenieren, nähert sich dem europäischen Festland ein südamerikanisches Militärflugzeug.
An Bord drei Militärdiktatoren, die ähnlich ihrem Kollegen Stroessner auf deutsche Vorfahren und absolutistisch regierte Bananenrepubliken verweisen können. Zwischen ihnen und dem in der Gummizelle delirierenden Trio gibt es keinerlei Zusammenhang und doch…
Die Kommissköpfe aus Südamerika gleichen den Hospitalinsassen wie ein faules Ei dem anderen. Die scheinbaren Irren sind unverzichtbarer Bestandteil eines fantastischen Coups.
Die Herren Generale sind nämlich auf Quartiersuche, in der Heimat wird ihnen langsam, aber sicher der Boden zu heiß, denn das undankbare Volk probt wieder mal die Revolte. Was tun also, um den Lebensabend in Ruhe und Wohlstand zu beschließen? Sich aus dem Staub machen und zwar endgültig, inklusive Staatskasse versteht sich!
Der Plan ist ebenso einfach wie genial. Während ihres inoffiziellen Deutschlandbesuches fallen die Generäle einem Attentat zum Opfer. Alles, was man für ein solch furioses Finale klassischer Militärlaufbahnen benötigt, sind drei Doppelgänger, und schon steht dem dolce vita mit Schweizer Nummernkonto und anderen Nummern nichts mehr im Wege. Von eben jenen Nummern träumend, landen die zukünftigen Jet-Setter in München. Kaum auf der Gangway, werden sie von ihren teutonischen Komplizen aus Pullach und anderen Orten mit militärischem Zeremoniell feierlich begrüßt. Das Schicksal nimmt seinen Lauf und bricht sich gegen die Gesetze aller Logik eine wirre Bahn, zerschmettert festgefügte Weltbilder und verhilft dem alltäglichen Irrwitz zum endgültigen Triumph.
Unter der Regie von Dominik Graf ("Das zweite Gesicht", "Treffer") agieren in diesem Chaos neben Trio Deutschlands Antwort auf Jayne Mansfield Sunnyi Melles und Komik-Veteran Ralf Wolter.
Zählebig ist unsere Zeit und arm an Unterhaltsamem. Wir leben damit und kleben an unseren Erinnerungen. So geht es jedenfalls mir.
Trio gehört entschieden zu meinen angenehmen Erinnerungen. Ich nehme an, dass ich ihre ersten Lieder freiwillig nicht mehr vergessen werde.
Dabei waren sie strenggenommen gar nichts für mich. Sie brachten das Lebensgefühl der Nachmir-Generation auf den Begriff: cool werden, cool sein, cool bleiben. "Da Da Da" wurde zur nationalen Hymne dieser Generation.
Trio machte aus dem Stand erstaunlich reife Musik. Und die Zeit war erstaunlich reif für Trio. Warum, weiß kein Mensch. Ob es an der europäischen Sinnkrise oder an der amerikanischen Hochzinspolitik lag? Sollte es ein Requiem auf Macher-Schmidt oder ein Präludium für Tunix-Kohl sein? Gab es eine deutsch-nationale Erhebung oder nur einen irrationalen Tanz um die große Knete? Oder war überhaupt nur die günstige Preisentwicklung bei handlichen Casio-Synthesizem in Großenkneten an allem schuld?
Mit größter Vorsicht wollen wir festhalten, dass offenbar eine ganze Menge jüngerer Musikfreunde die missionarischen Gesänge deutscher Liedermacher und das messianische Gehabe angelsächsischer Rockmacher nicht mehr hören oder sehen wollte.
Trio hatte für Auge und Ohr etwas zu bieten. Und das war nicht viel: Einen Frontmann mit stechenden Picasso-Augen und ironischem Kontraalt. Einen Gitarristen im gemütlichen Watt-Guerilla-Outfit mit zupackenden Arbeiterfäusten. Und an der Blechtrommel einen traurigen Clown mit dem müden Charme der Misanthropie. Das war wirklich herzlos wenig. Aber das Wenige machte Effekt. Es hatte Stil.
Und darauf kommt es dieser No-Sense-Generation vor allem an. Doch da seither alles ankommt, was irgendwie Stil hat, lohnt es sich etwas genauer zu unterscheiden: Der Stil von Trio gefällt mir, weil er seine eigene Parodie gleich mitliefert. Das macht ihn auch unnachahmlich. Er schielt nicht auf Einverständnis mit dem Publikum und will aus Fans keine Gemeinde von Dadadaisten machen. Lässig entzieht sich Trio jeder Festlegung. Mal spielte man triumphal die Kult-Band, die eine ganze Arena selbst in Verona zum Flämmchenmeer werden ließ. Mal machte man bescheiden den Background-Chor, der selbst eine saarländische Nachtigall namens Nicole zum Trapsen brachte. Für keinen Auftritt war man sich zu schön, was den Vorteil hat, dass man am Ende überall dazupasst und nirgends dableiben muss. Man kann sich sogar zwei Jahre Pause gönnen.
Wer Popmusik machen will, muss populär werden. Will er populär bleiben, muss er für sich Reklame machen. Und in dieser Branche gibt es nur die Alternative: alles mitzumachen oder gar nichts.
Hier nun endet der theoretische Teil meiner Aufzeichnungen recht abrupt, denn fortan will ich getreulich berichten, was ich erlebt habe, so wahr mein Gedächtnis mir helfe.
Peter Behrens, Kralle Krawinkel und Stefan Remmler haben also einen Film gemacht: "Drei gegen Drei".
Oder haben sie den Film nur mit sich machen lassen? Darüber hätte ich mich nun gern mit den Dreien unterhalten. Das Dumme aber war, dass der Film noch gar nicht fertig war. In München wurden gerade die letzten Einstellungen nachgedreht. Die drei Hauptdarsteller machten vor der Kamera einen prächtigen Eindruck: präsent, präzise, professionell. Es war mir ein Vergnügen, ihrem Vergnügen zuzuschauen.
Aber wie das im fertigen Film aussehen wird - keine blasse Ahnung: Alles, was wir uns Ende Juni ansehen konnten, war ein Trailer, 140 Sekunden lang. Eine rasche Abfolge akkurater Action-Szenen, von denen manche den entscheidenden Dreh ins Komische schon hatten. Außerdem durfte ich zur Vorbereitung das ganze Drehbuch lesen, 220 Seiten lang. Ich habe es sogar getan, aber ich möchte lieber nicht darüber reden. Auch das beste Buch ist zunächst kaum mehr als der verzweifelte Versuch, einen Anschein von Zusammenhang herzustellen, der beim Dreh ohnehin verloren geht und allenfalls am Schneidetisch wiedergefunden werden kann.
Jede reine Filmhandlung enthält Momente des Grotesken, die sich schwer in Worte fassen lassen - und das ist gut so. Denn ich wollte ja nicht mehr theoretisieren, und Behrens, Krawinkel und Remmler wollten ohnehin eine reine Groteske machen - um so besser.
Das Wichtigste dabei ist das Timing. Jedenfalls liest man das immer wieder, wenn es um komische Filme geht.
Aber was ist Timing? Genau das, was man in komischen Filmen eigentlich nicht bemerken sollte. Ich bemerke es auch lieber in Restaurants, wenn mich der Kellner genau im rechten Augenblick fragt, ob zum Kaffee nicht vielleicht ein Cognac genehm wäre. Das verstehe ich unter Timing.
Aber ich bemerke auch, dass ich schon wieder ins Theoretische schweife.
In der Praxis ist es allerdings sehr schwierig, drei komisch gesinnte Menschen, die sich lange genug kennen, ernsthaft zur Rede zu stellen. Eher überredet man ein glückliches altes Ehepaar an seinem goldenen Hochzeitstag zur Schnellscheidung, als dass man aus einer gut geölten Dreierbeziehung mehr herausholt als schnelle Sprüche, flinke Ferkeleien und routinierte Rollenspielchen. Als erfahrener Untersuchungsrichter habe ich es deswegen mit Einzelverhören versucht. Dabei ist, alphabetisch geordnet, ungefähr folgendes herausgekommen:
Frage: Fangen wir bei dem an, was wir kennen: bei Eurer Musik. Hat der Film damit noch etwas zu tun?
Behrens: Ja.
Krawinkel: Dieses Trio-Feeling, so mit einem lachenden und einem weinenden Auge, das ist voll vorhanden.
Remmler: Wir haben vier Lieder speziell für den Film geschrieben. Und der Film sollte genauso vielseitig werden wie unsere Musik: manchmal Klamotte, manchmal Satire, manchmal Parodie und meinetwegen auch intellektueller Spaß, je nach Level des Betrachters.
Frage: Wie lässt sich der spezielle Geist Eurer Auftritte in den Film übertragen? Behrens: Die Bühne ist 12 Meter 50 lang. Da hatten wir nicht viel Platz. Im Film ist die Bühne nun eben kilometerlang.
Krawinkel: Jede Gruppe hat eine gewisse Magie, die bei uns entsteht, wenn wir uns gut verstehen - ganz platt gesagt. Das war unsere Hoffnung, dass wir uns nach einem Jahr der Trennung wiedersehen und gut verstehen. Das hat hingehauen.
Remmler: Der Film muss natürlich funktionieren durch Bewegung, Schnitt, Tempo. Aber wenn er funktioniert, dann hoffentlich bei einem Publikum, das die "Supernasen" lustig findet, genau wie für eins, das Lubitsch mag.
Frage: Ist dafür jeder Lacher erwünscht, oder gibt es Grenzen des guten Geschmacks?
Behrens: Ich seh' mir erst mal den "Otto"-Film an. Dann kann ich das womöglich beantworten.
Krawinkel: Es gibt da vielleicht unangenehme Stellen. Aber die findet ein anderer dann gerade obergeil. Hauptsache, meine Mutter mag sich den Film noch anschauen.
Remmler: Absichtlich Sachen mit schlechtem Geschmack zu machen, das ist auch Trio-Stil. Diese dauernden Irritationen sind zwar eigentlich nicht erfolgsträchtig, aber die Leute mögen uns, auch wenn sie vermutlich keine Bilder von uns an die Wand hängen.
Frage: Bist Du mit Deiner Rolle in dem Film zufrieden?
Behrens: Ja. Weil wenig Text ist.
Krawinkel: Ich bin der Fänger am Trapez wie auf der Bühne. Aber was man da spielt, ist nicht so wichtig: Wir sind als Generäle genauso skurril in unserem Flash, wie wir es als Rothäute wären oder als Japaner.
Remmler: Von meiner Rolle kann ich wenig sagen: Ich hab' ja tagelang nur in rasenden Autos aus dem Fenster geguckt oder irgendwelche Türen aufgemacht und: Raus hier; gebrüllt.
Frage: Und wie siehst Du die Rollen der beiden anderen?
Behrens: Die sind, wie ich sie kenne: Kralle ist eben der Spinner, so ein liebevoller Spinner. Und Stefan hat den Überblick.
Krawinkel: Im Film ist Stefan der Intelligente, der alles in der Hand hat. Und auch Erfolg bei Frauen hat er. Und Peter? Genau wie beim Musikmachen steht er eigentlich immer nur rum und macht alles mit dem Gesicht.
Remmler: Wenn ich der Strategische bin, macht es Kralle eher mit Brachialgewalt. Und Peter ist wirklich der Depp, der gar nicht mehr weiß, ob er nun wirklich General ist oder nicht. Und dafür wird er natürlich wieder von allen geliebt.
Frage: Hat Dir beim Drehen irgendein Schauspieler als Vorbild vorgeschwebt?
Behrens: Nein. Aber wenn schon Namen, dann: Buster Keaton.
Krawinkel: Bei mir sind's die Leute, die in sich stimmig sind: Robert De Niro oder so einer. Reine Techniker mag ich weniger.
Remmler: Ich wär' mir ja gerne wie der junge Cary Grant vorgekommen. Aber das haben sie mir schnell ausgetrieben. Bedauerlich - aber angeblich soll's dem Film dienen.
Letzte Frage: Was soll Euer Film fürs Publikum sein?
Behrens: Gute Unterhaltung.
Krawinkel: Ich weiß ja noch nicht, was rüberkommt, dass ich mir sympathisch bin, und dass wir Spaß hatten bei der Arbeit.
Remmler: Das Gleiche wie unsere Musik: Entertainment, das viel Spaß macht, ohne doof zu sein.
Soweit die drei Protokolle. Aufgenommen zu München am 27. Juli 1985.
Es ist mir beim bösesten Willen nicht gelungen, die Verhörten in schwerwiegende Widersprüche zu verwickeln. Im Gegenteil: unabhängig voneinander und unter Ausschluss vorheriger Absprachen haben alle drei meinen Verdacht bestätigt, dass sie sich ausgezeichnet ergänzen. Das lässt mich auf einiges hoffen. Die Übereinstimmungen gingen so weit, dass ich hier bei jedem vieles weglassen konnte, was ein anderer schon ähnlich gesagt hatte. Auch mit ihren Autoren, ihren Mitspielern und ihrem Regisseur waren alle drei ausgesprochen zufrieden. Es wäre nun wirklich bedauerlich, wenn der Film ihr Vertrauen nicht rechtfertigte. Von meinem gar nicht zu reden. Es wäre eine Katastrophe.
Dies Land braucht bessere komische Filme. Es wird aber keine besseren komischen Filme geben ohne ein allgemeines Gefühl für Qualität. Und es gibt kein allgemeines Gefühl für Qualität ohne bessere komische Filme. Das deutsche Kinopublikum hat ja keinen schlechten Geschmack. Woher auch? Es hat nur das Bedürfnis, sich zu freuen. Es wird sich auch über bessere komische Filme freuen, es ist allerdings gegen miesere nicht gefeit. Das ist unsere Misere.
Darum lasst uns mannhaft zusammenstehen im unermüdlichen Kampf für das Bessere, das praktisch - aber jetzt ist wirklich Schluss mit dem theoretischen Teil. Endgültig.
(Bernd Eilert gehört neben Robert Gernhardt und Peter Knorr zu den Drehbuchautoren des "Otto"-Films und der Redaktionsmannschaft des Satire-Magazins "Titanic".)